Laryngo-Rhino-Otol 2017; 96: S123-S151
DOI: 10.1055/s-0043-101812
Cochlea-Implantate sind elektronische Reizprothesen zum funktionellen Ersatz des Innenohrs. Aufgrund der rasanten technischen Entwicklung und den dadurch erzielten guten Ergebnissen haben sie sich zur Standardtherapie bei sensorischer Taubheit etabliert.Die Cochlea-Implantat-Versorgung erfordert ein interdisziplinäres Team und ein qualitätsgesichertes Konzept, das von der Indikationsstellung bis zur lebenslangen Nachsorge reicht und das in der AWMF-Leitlinie Cochlea-Implantat niedergelegt ist (AWMF Leitlinie Cochlea-Implantate 1).Heutige Cochlea-Implantat-Systeme sind teilimplantierbar und mit einer Vielzahl von Zusatzfunktionen wie bei Hörgeräten zur Schallvorverarbeitung und Störschallunterdrückung ausgestattet. Die intracochleäre Elektrodenlage ermöglicht eine differentielle Stimulation des Hörnerven und damit die Vermittlung unterschiedlicher Tonhöheneindrücke. Durch diese Nachbildung der Frequenzorganisation des Innenohrs können komplexe Schallsignale wie Sprache in ein differenziertes neuronales Erregungsmuster des Hörnerven umgesetzt werden, welches Basis für das Sprachverstehen mit einem Cochlea-Implantat ist.Indikationen sind heute die beidseitige sensorische hochgradige Schwerhörigkeit und Taubheit sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen, die einseitige Taubheit sowie die Hochtontaubheit. Cochlea-Implantate sind immer dann indiziert, wenn ein ausreichendes Sprach- und Kommunikationsvermögen (Gebrauch des Telefons) oder eine Sprachentwicklung mit alternativen Methoden nicht möglich oder zu erwarten sind.Die chirurgische Technik ist standardisiert und für alle Patienten anwendbar. In der Regel wird ein transmastoidales Vorgehen mit posteriorer Tympanotomie und Insertion der Elektrode durch die runde Fenstermembran präferiert. Die Befestigung des Implantatkörpers in einem Knochenbett stellen ebenso wie die sichere Elektrodenfixation nahe der Cochlea entscheidende Elemente für ein komplikationsarmes Verfahren dar. Die hörerhaltende Cochlea-Implantat-Chirurgie ist heute Standard und ermöglicht die Versorgung von Patienten auch mit Restgehör.Die intraoperativ erhobenen elektrophysiologischen Parameter erlauben neben der Funktionskontrolle des Implantates eine Anpassung der Systeme, insbesondere bei Kindern, auf der Basis objektiver Parameter. Das sich anschließende Hör-Sprach-Training zielt auf den Spracherwerb bzw. das Spracherkennen ab. Die lebenslange Nachsorge umfasst neben medizinischen und technischen Kontrollen auch technologische Upgrades und das Erkennen und Behandeln von Komplikationen.In der Regel erreichen postlingual ertaubte Patienten ein offenes Sprachverständnis und können telefonieren. Bei Kindern wird bei früher Implantation nach Eintritt der Ertaubung in der Regel eine nahezu normale Sprachentwicklung erreicht.Die Komplikationsrate ist gering. Implantatausfälle treten bei ca. 2–4% der Patienten, medizinische Komplikationen bei ca. 4% der Implantierten auf. Reimplantationen können in der Regel ohne Probleme durchgeführt werden. Die Patienten profitieren von einem technologischen Upgrade.Die zukünftigen Entwicklungen gehen in Richtung des bionischen Ohres, das die Wiederherstellung des Gehörs durch Nachbildung des physiologischen Hörvorgangs mithilfe der Technik anstrebt. Dazu werden Elektroden mit einer deutlich höheren Anzahl von elektrisch getrennten Kanälen entwickelt. Durch Oberflächenfunktionalisierung und zusätzliche biologische Therapie lassen sich die Regeneration des Hörnerven mit Aufwachsen der Dendriten auf die Elektrode sowie eine Verhinderung einer weiteren Spiralganglienzellendegeneration erreichen. Damit können deutlich bessere Sprachverarbeitungsstrategien zum Einsatz kommen, die auch ein tonales Gehör z. B. für Musik ermöglichen. Telemedizinische Konzepte erlauben neue Formen der Patientenversorgung mit aktiver Beteiligung des Patienten, automatisierte technische Implantatkontrolle, Remote Care, Selbstprogrammierung und technologische Upgrades. Durch multimodale Stimulation mit integrierten intracochleären mechanischen oder optoakustischen Aktuatoren werden universelle Hörimplantate möglich, die eine individuell optimale Hörrehabilitation erlauben und bei progredientem Hörverlust jederzeit nachjustiert werden können. Der Einsatz robotischer Systeme wird zu einer wesentlichen Erhöhung der Präzision und Verbesserung der Hörerhaltung führen. Sogenannte Closed-Loop-Systeme mit Messung des EEG-Signals ermöglichen eine automatisierte Adaptation des Implantatsystems an verschiedene Hörsituationen. Vollimplantierbare Hörsysteme sind in Entwicklung und erlauben das sogenannte Invisible Hearing zur Überwindung des Stigmas Schwerhörigkeit.Insgesamt darf das Cochlea-Implantat als Prototyp für den Sinnesersatz gelten. Zur Zeit sind weltweit ca. 500 000 Patienten mit einem Cochlea-Implantat versorgt.
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